Im August 2009 hatte die damalige Bundesregierung noch sehr ehrgeizige Ziele: Eine Million Elektroautos sollten im Jahr 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein, zehn Jahre später fünf Millionen, so das Ziel im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität.
Darin heißt es auch: »Fahrzeuge mit Elektroantrieb bieten große Potenziale zur Verringerung der verkehrsbedingten CO₂-Emissionen sowie der Abhängigkeit von Erdölimporten«.
Was ist dran an den Potenzialen, wie ist der Stand Anfang 2014 und welche Hürden gilt es auf dem Weg zu mehr Elektromobilität zu überwinden?
Dazu muss man wissen: Der Verkehrssektor ist das Hauptproblem bei der Verringerung von CO2-Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland. Während in den letzten 20 Jahren die Emissionen um 24 Prozent gesenkt werden konnten, stiegen die CO2-Emissionen des Verkehrs im Vergleich zum Jahr 1990 um knapp acht Prozent. 83 Prozent der Emissionen im Verkehrssektor werden vom Straßenverkehr verursacht, der im Jahr 2009 rund 178 Millionen Tonnen CO2 emittiert hat. Das Reduzierungspotenzial durch die Entwicklung effizienterer Verbrennungsmotoren wird durch den Kauf von größeren und schwereren Fahrzeugen sowie die steigende Verkehrsleistung nahezu neutralisiert!
Elektroautos fahren nahezu lautlos und emissionsfrei. Innenstädte werden von Abgasen und Lärm entlastet. Doch wie steht es mit der Energiebilanz von Elektroautos, wenn Strom- und Batterieproduktion berücksichtigt werden?
Zuerst einmal haben Elektromotoren einen erfreulich hohen Wirkungsgrad. Von der Energie, die ein moderner Lithium-Ionen-Akku an der Steckdose aufnimmt, können 86 Prozent während der Fahrt für den Antrieb des Motors genutzt werden, 14 Prozent gehen bei der chemischen Reaktion im Akku-Inneren verloren. Dagegen erreichen Benzin- bzw. Dieselmotoren nur einen Wirkungsgrad von unter 40 bzw. unter 50 Prozent.
Die Grenzen und Probleme beim Ausbau der Elektromobilität zu verstehen, muss man einen genauen Blick auf die Batterietechnologie werfen. Die Batterieentwicklung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Die Elektroautos der ersten Generation waren noch mit Bleibatterien, die der zweiten Generation mit Nickel-Cadmium-Batterien ausgestattet. Aufgrund der geringen Energiedichte lag die Reichweite der Autos selten über 80 Kilometer. Die heute verwendeten Hochleistungsakkus auf Lithium-Ionen-Basis für Elektroautos der dritten Generation zeichnen sich durch eine deutlich höhere gewichts- und volumenbezogene Energiedichte, eine längere Lebensdauer mit bis zu 3000 Ladezyklen sowie eine bessere Entladetiefe aus. Sie erfordern jedoch aufgrund der Brandgefährlichkeit ein ausgefeiltes Lade- und Überwachungsmanagement. Ein Aufwand, der sich im Preis niederschlägt.
Der Schweizer Ökobilanzierer Rolf Frischknecht ging im Jahr 2009 davon aus, dass nach ungefähr 1000 Ladezyklen der Akku eines Elektrofahrzeuges ersetzt werden muss. Gemäß seiner Berechnung wird zur Herstellung eines Akku-Paketes so viel Energie verbraucht, dass sich dies mit 48 Gramm CO₂ pro Kilometer in der Treibhausbilanz niederschlägt. Längere Lebensdauer und deutlich höhere Ladezyklen reduzieren diesen Wert wesentlich.
Doch wie schaut es mit dem Treibstoff Strom aus? Ein Elektroauto verbraucht ca. 0,2 Kilowattstunden pro Kilometer. Berechnet man die CO₂-Emissionen der Kraftwerke für die Erzeugung der 0,2 Kilowattstunden, ergibt sich eine CO₂-Emission von 120 Gramm pro Kilometer. (siehe Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2012, im Jahr 2012 betrug die durchschnittliche CO2-Emission pro Kilowattstunde 601 g).
Einen entscheidenden Vorteil können Elektroautos also nur erreichen, wenn ihre „Tankfüllung“ aus regenerativem Strom gespeist würde. Doch Strom aus erneuerbaren Energien wird auch 2030 selbst im besten Fall nur die Hälfte des deutschen Strommixes ausmachen. Sie ausgerechnet im Verkehr zu verwenden ist beim Stand der Technik ökologisch unsinnig und extrem teuer. Ausnahme: Dezentrale regenerative Stromerzeugung beim Verbraucher.
Damit liegen Elektroautos, die mit dem deutschen Energiemix betankt werden, in der CO2-Bilanz gleichauf mit sparsamen Kleinwagen mit Verbrennungsmotor.
Eine Tankfüllung mit Strom schlägt mit durchschnittlich 4 € für 100 Kilometer Fahrleistung zu Buche und spart damit fast die Hälfte an Spritkosten gegenüber einem durchschnittlichen Benziner-Kleinwagen (7,50 € für 100 km bei 1,50 €/l Benzin, Verbrauch von 5 l/100 km Benzin, CO2-Ausstoß 120 g/km). Die höheren Anschaffungskosten für ein Elektrofahrzeug von etwa 20.000 € würden sich erst bei einer Gesamtfahrleistung von über 610.000 Kilometern amortisieren. Da aber nach spätestens 3000 Ladezyklen, das entspricht einer theoretischen maximalen Fahrleistung von etwa 300.000 Kilometern, der Akku ersetzt werden muss, fällt die wirtschaftliche Bilanz negativ aus.
Besser schaut die Rechnung wiederum aus, wenn das Elektrofahrzeug aus der eigenen Photovoltaikanlage mit Eigenstromverbrauch gespeist werden kann. Hier schlägt die Kilowattstunde nur mit ca. 15 ct, 100 Kilometer Fahrleistung mit 2,40 € zu Buche. Das setzt allerdings voraus, dass entweder ein Speicher die Batterieladung nachts ermöglicht oder das Nutzerverhalten den Ladevorgang am Tag erlaubt.
Untergeordnet scheint das Problem der begrenzten Reichweite zu sein. Die durchschnittliche tägliche Autofahrt ist nach nur 22 Kilometern beendet. Gerade in Ballungsräumen, für Dienststellenfahrzeuge, Lieferservices und Pflegedienste sind die kleinen, leisen Sprinter mit einer Reichweite von gut 100 Kilometern ideal.
Unterm Strich bleibt jedoch die Erkenntnis, dass unter den aktuellen Bedingungen hinsichtlich Preisgestaltung, Unsicherheit zukünftiger Förderung, Stromtankstellennetz und Haltbarkeit der Batterien sehr viel Idealismus dazu gehört, ein Elektroauto anzuschaffen. Bisher werden in Deutschland Elektroautos nur für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Bei einem 1.500 Kilogramm schweren Elektroauto entspricht dies einer Steuerentlastung von 45 Euro pro Jahr, als Kaufanreiz ein Tropfen auf den heißen Stein.
Das spiegelt sich auch in Zahlen wieder: Am 1. Januar 2013 waren in Deutschland 7.114 reine Elektroautos zugelassen. Bei einem Gesamtbestand von 43.431.124 Pkw in Deutschland entspricht dies einer Quote von 0,016 Prozent – ausgerechnet im Autoland Deutschland.
Dass es auch anders geht, machen uns Länder wie z.B. Frankreich, Norwegen und andere skandinavische Länder vor. In Norwegen werden dem Käufer eines Elektroautos die Mehrwertsteuer, Neuwagensteuer und die Zulassungsgebühr komplett erlassen. Norwegen ist inzwischen zum Eldorado der Elektromobilität geworden - mehr als drei Prozent der Neuwagen fahren mit Strom. Wegen der massiven Förderung ist der Mehrpreis niedrig genug, um sich vergleichsweise schnell über die niedrigen Kilometerkosten zu amortisieren: bei ähnlich hohem Strompreis wie in Deutschland, aber deutlich teurerem Benzin. Günstig für die CO2-Bilanz: In Norwegen hat die Stromproduktion aus Wasserkraft einen Anteil von 99 Prozent. Ganz nebenbei liefern die Norweger den Beweis für die volle Wintertauglichkeit batterieelektrischer Fahrzeuge.
Die französische Regierung unterstützt den Kauf von Elektroautos mit einem Bonus von 5000 € beim Erwerb eines Autos mit weniger als 60 g/km CO2-Ausstoß. Für Hybrid angetriebene Fahrzeuge gibt es eine Hilfe von bis zu 2.000 €. Dort, wo es wirkungsvolle Förderung von Elektrofahrzeugen gibt wie z.B. auch in den USA, Kanada, Japan und China, gehen die Neuzulassungen deutlich nach oben.
Ohne saftigen Staatszuschuss wird sich Elektromobilität nicht durchsetzen. Im Jahr 2009 forderte der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel eine halbe Milliarde Euro Starthilfe für die ersten 100.000 Elektroautos, konnte sich aber damit nicht durchsetzen. Die Bundesregierung hatte zuvor gerade fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie spendiert und damit zwei Millionen Neuwagen auf die Straße gebracht – mit Verbrennungsmotor.
Besonders misstrauisch verfolgt Greenpeace den Hype um die Elektromobilität. »Der Versuch, sie als Klimaschutzmaßnahme darzustellen, ist Greenwashing«, stellt Wolfgang Lohbeck fest, Verkehrsexperte der Umweltorganisation. »Diese Imagekampagnen erzeugen unrealistische Vorstellungen und sollen gezielt von den jetzt schon möglichen und notwendigen Einsparungen bei Verbrennungsmotoren ablenken.« Schließlich wären selbst bei voller Umsetzung der Regierungspläne auch 2030 noch 88 Prozent aller Autos mit Benzin oder Diesel unterwegs.
Deshalb fordert Greenpeace von den Autobauern, das technisch Machbare, den Bau effizienterer und leichterer Autos, sofort umzusetzen und diese durch geeignete politische Rahmenbedingungen (Steuergesetzgebung, Tempolimit) auf die Straße zu bringen. So kann kurzfristig eine Umkehr der negativen CO2-Bilanz im Straßenverkehr erreicht und die Zeit bis zum massenhaften Einsatz von Elektrofahrzeugen mit regenerativer Stromversorgung überbrückt werden.
Experten sprechen davon, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren weder eine bahnbrechende Entwicklung der Batterietechnologie noch eine starke Reduzierung der Preise zu erwarten ist. Auch eine Förderung nach dem Vorbild anderer Staaten steht in den Sternen.
Wer im Verkehr wirklich Energie und damit CO2-Emissionen einsparen will, der kommt nicht daran vorbei, mit lieben Gewohnheiten zu brechen. Sich vom benzinschluckenden Statussymbol SUV verabschieden, nur so viel Auto wie nötig bewegen, bei regelmäßigen Fahrten – z.B. zur Arbeitsstätte - möglichst Fahrgemeinschaften bilden, insgesamt auf kleinere, leichtere und effizientere Fahrzeuge setzen, und einen vernünftigen, sparsamen Fahrstil als selbstverständliches und ehrenwertes Ziel vertreten.
Was aber jeder für sich, sofort und ohne Startkapital für eine bessere CO2-Bilanz tun kann:
Lassen Sie öfter mal das Auto stehen. Wann immer es geht – gehen Sie zu Fuß, nehmen Sie das Fahrrad zum Einkaufen oder nutzen Sie Bus und Bahn.