Am 10. Juni 2022 erschien auf der ersten Seite des Ebersberger Regionalteils der Süddeutschen Zeitung ein Beitrag mit dem Titel „Die einen zittern, die anderen jubeln“, nachzulesen unter https://www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/windraeder-soeder-staatswald-hofoldinger-ebersberger-forst-energiewende-1.5600012. Dazu wurden mehrere Leserbriefe verfasst.
Mit dem folgenden Leserbrief sollen einige falsche Darstellungen des Beitrages kommentiert und korrigiert werden.
Darf man im Wald Windräder bauen? Mit dieser Frage leitet Herr Eisenberger einen Artikel ein, der die Pläne von Ministerpräsident Söder für mehr Windräder in Bayerns (Staats)wäldern auf Windenergieprojekte herunterbricht.
In Kürze: Ja man darf, mehr noch, ja man muss. Warum? Die Windenergie ist auch bei uns im Süden sinnvoll und effizient. Der technologische Fortschritt hat dazu geführt, dass sie auch bei uns die wirtschaftlichste Form der Energieerzeugung ist (im Klartext: Mit den geringsten Kosten je erzeugter Kilowattstunde). Außerdem: Der geforderte und ebenfalls immer noch zu geringe Ausbau der Photovoltaik braucht zwingend die Kombination mit Windenergieanlagen, denn sie ergänzen sich hervorragend mit ihren jahreszeitlich versetzten Erzeugungsstärken. Bayern ist waldreich. Selbst wenn man von dem unsinnigen Abstand der zehnfachen Höhe eines Windrades von der Wohnbebauung absieht (durch Bauleitplanung der Gemeinden theoretisch möglich, in der Praxis gescheut wie der Teufel das Weihwasser), ist ein gewisser Abstand der Windräder zur Wohnbebauung erforderlich. Eben deshalb rücken viele mögliche Standorte bei uns in den Wald.
Wird der Wald dadurch geschädigt? Hier muss man ehrlicherweise sagen: Unsere Wälder sind geschädigt. Die regelmäßig veröffentlichten Waldschadensberichte zeigen: Die Zahl der toten und geschädigten Bäume war noch nie so hoch wie derzeit - selbst in den 80er Jahren nicht, als Schwefel und andere Schadstoffe aus Industriekaminen den Wäldern in Europa massiv zusetzten, damals bekannt als "saurer Regen“. Aussagen hiesiger Förster auf Veranstaltungen in der Region untermauern dies. Es geht jetzt darum, unsere Wälder vor Klimastress zu bewahren. Der Eingriff in den Wald für den Bau von Windenergieanlagen ist minimal (und es sind keineswegs „unzählige Bäume“). Mehr noch: Die erforderlichen Baumfällungen müssen ausgeglichen werden und dabei werden oftmals geschädigte Bäume ersetzt durch klimaresistenteren Mischwald. Weiterhin gilt: Experten prüfen nach gesetzlichen Vorgaben ganz genau, wo Windenergieanlagen stehen dürfen. Nur wenn strenge Kriterien in Bezug auf Naturverträglichkeit und Artenschutz, sowie auch den Einfluss auf die Menschen, erfüllt sind, dürfen sie gebaut werden. Noch geht es den Wäldern in unserer Region tatsächlich besser als dem deutschen Durchschnitt. Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, was mit etwas zeitlichem Versatz auch auf unsere Wälder noch zukommen wird, sollte eine Fahrt durch die Mittelgebirgswälder – z.B. im Harz oder im Sauerland - wagen.
Wen das noch nicht überzeugt: Die Klimaschutzleistung eines Windrades ist während der 20 Jahre Betriebszeit um mindestens den Faktor 1000 höher als die Klimaschutzleistung der Bäume auf der Fläche, die für den Bau des Windrades freigehalten werden muss. Eine seriöse wissenschaftliche Erkenntnis.
Die Aussage im Artikel, dass es „ein nahezu nicht realisierbares Projekt“ sei, „in einem Landschaftsschutzgebiet Windräder zu bauen“, ist schlicht realitätsfern. Der Bayerische Windenergieerlass, das anzuwendende Regelwerk, statuiert, dass in Landschaftsschutzgebieten Windenergieanlagen grundsätzlich möglich sind und zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie eine Modifizierung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung bei gleichzeitigem Erhalt der Schutzwirkung ausgestaltet werden kann. Moderne LSG-Verordnungen lassen Windenergieanlagen – aus gutem Grund – bereits explizit zu. Doch gibt es auch einige Windenergieprojekte in Landschaftsschutzgebieten, deren Verordnungen angepasst wurden: So zum Beispiel in Berg. Es ist also keineswegs nur Theorie!
Was empört mich noch an dem Artikel? Im ganzen Beitrag kein Wort zu Klimakrise und der Notwendigkeit hinter all den Bemühungen, erneuerbare Energien und eben auch Windenergieanlagen auszubauen, um fossile Energieerzeugung zu ersetzen und damit die Erderhitzung einzudämmen. Ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, unabhängig von Krieg führenden Energielieferanten zu werden. Kein Wort zu den Chancen, die Wertschöpfung bei uns zu generieren. Stattdessen viel Raum für das immer wieder bemühte Vokabular von Windenergiegegner*innen: Mangelnde Windstärke, hohe Preise und dass Windräder „etwas anrichten“, Störungen durch Lärm oder Licht und Schatten, Verschandelung der Landschaft oder andere Beeinträchtigungen. Da fehlt nur noch das Framing mittels einer gewissen, saisonalen Gemüsesorte.
Wo bleiben hier die Fakten? Wer sich mit dem Thema Windenergie bei uns ernsthaft beschäftigt, kann erfahren: Windenergie ist bei uns wirtschaftlich sinnvoll und effizient und ein unverzichtbarer Teil der Lösung. Denn wir brauchen saubere Energie, die wir vor unserer Haustüre erzeugen. Wir müssen weg von der fossilen Energie. Wir werden damit außerdem unabhängig von Stromimporten und Energiekonzernen. Die Wertschöpfung bleibt bei uns im Landkreis.
Moderne Windenergieanlagen sind weder lautlos noch unsichtbar. Doch durch strikte Vorgaben im Genehmigungsprozess und technische Fortschritte wird die Beeinträchtigung der Bevölkerung heute auf ein Minimum reduziert: Aerodynamische Geräusche wurden durch technische Entwicklungen („Serrations“, „Winglets“) reduziert. Bei Abständen von mehr als zwei Kilometern zu Siedlungen ist Schattenwurf kein Thema. Ansonsten gilt: Schattenwurf von mehr als 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag wird durch eine Schattenabschaltvorrichtung unterbunden. Gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) müssen für alle potenziellen Beeinträchtigungen von Mensch und Natur unabhängige Gutachten erstellt werden. Nur wenn alle Grenzwerte eingehalten werden, wird ein Windrad genehmigt.
Fakt ist auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung Windenergieanlagen positiv sieht. Das belegen aktuelle Studien und Umfragen. Mehr noch: Dort, wo Windräder stehen, steigt die Akzeptanz noch weiter.
Und was sagen die Bayerischen Staatsforsten zur Windenergie im Wald? „Der Bayerische Landtag hat den Bayerischen Staatsforsten das Nutzungsrecht an mehr als 800.000 ha Fläche mit dem Auftrag übergeben, diese Flächen vorbildlich, nachhaltig und in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet zu bewirtschaften. Zu diesem Bewirtschaftungsauftrag gehört auch die Nutzung regenerativer Energien.
Die Windenergie ist dabei ein neuer integraler Bestandteil des vor 300 Jahren in der Forstwirtschaft geprägten Prinzips der Nachhaltigkeit …“ [https://www.baysf.de/de/wald-bewirtschaften/regenerative-energien/wind.html]
Bärbel Zankl