Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über das Thema Wasserstoff in der Presse oder im Fernsehen berichtet wird, oft mit sehr unterschiedlichen Einschätzungen zu seiner Zukunft. Um es gleich vorwegzunehmen, es gibt hier kein klares JA oder NEIN, sondern die Notwendigkeit das Thema zu sortieren (Erzeugung, Logistik, Anwendung. etc.) und in die Irre führende Information auszuräumen.

Oft wird Wasserstoff als Erneuerbare Energie der Zukunft „ge-hyped“; das mit der Zukunft wollen wir uns noch näher angucken, aber erstmal ist wichtig zu verstehen, dass Wasserstoff nicht mit Erneuerbarer Energie verwechselt werden darf; es handelt sich bestenfalls um einen Energieträger, ein Molekül, das je nach Druck und Temperatur gasförmig oder flüssig ist  und Energie aufnehmen oder abgeben kann, sowohl durch Verflüssigung durch Komprimierung und Entspannung zu Gas als auch  z.B. durch Oxidation des Wasserstoffs zu Wasser oder durch Methanisierung. Wasserstoff kann also nur als Speicher von Energie fungieren, man kann es nicht fördern wie Öl oder Kohle.   

Aber immerhin: Eine „gute“ Speichertechnologie zur Verfügung zu haben, ist für die Energiewende ein wesentlicher und heißersehnter Baustein, den wir bisher nicht haben. Wie bei allem im Leben kommt Wasserstofftechnologie aber natürlich mit einem Mix an Vor- und Nachteilen…

Der Einsatz von elektrischer Energie zur Spaltung von Wasser, bzw. die Erzeugung von Wasserstoff geschieht in einem Elektrolyseur. Dieser hat typischerweise einen Wirkungsgrad von 50-70 % (in der Spitze 82%) und ist teuer. Die Rückumwandlung der chemischen Energie in einer Brennstoffzelle hat wiederum einen Wirkungsgrad von ca. 60 % (in der Spitze 82%). In Anbetracht dieser Wirkungsgradverluste sollte Wasserstoff bevorzugt in stationären Anwendungen eingesetzt werden, die eine Kraft-Wärme-Kopplung erlauben (Nutzung der Abwärme).

Wasserstoff, chemisch H2, ist das kleinste, in der Natur vorkommende Molekül. Es diffundiert durch Metallwände und -dichtungen, geht dabei also für die weitere Nutzung verloren. Wasserstoff versprödet auch Metalle und Kunststoffe, so dass Rohrleitungen schneller altern und in kürzeren Abständen ersetzt werden müssen. Kleinere Beimischung (einstelliger Prozentbereich) zum Erdgas im Erdgasnetz sind machbar, größere Beimischung verändern die Brenneigenschaften und erfordern neue, entsprechend konstruierte Gasthermen. Hohe Konzentrationen von Wasserstoff oder sogar ein reiner Wasserstofftransport erfordern ein neues, entsprechend ausgelegtes Netz. Derzeit gibt es abseits von Versuchsanlagen nur das existierende Erdgasnetz, also keinerlei Wasserstoff-Infrastruktur. In diese müsste erst investiert werden, was nicht nur viel Geld, sondern auch viel Zeit erfordert. Umgehen lässt sich der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur durch Methanisierung. Hierbei wird Wasserstoff in Verbindung mit Kohlendioxid zu Methan, welches leicht in Tanks aufbewahrt und auch gut transportiert werden kann. Allerdings schlagen für diesen Prozessschritt weitere 10-15% Energieverlust zu Buche und die Technologie ist teuer. Eine weitere Alternative ist der Transport flüssigen Wasserstoffs. Auch hier geht viel Energie verloren, denn die Verflüssigung von Wasserstoff erfordert Kühlleistung und/oder Kompression. Was den eigentlichen Transport betrifft: Wasserstoffdruckbehälter für Tanklastzüge brauchen erhebliche Wandstärken. Dies erhöht ihr Gewicht und vermindert das Transportvolumen. Ein Wasserstofftanklaster mit ähnlichem Gewicht und Größe im Vergleich zu einem Benzin- oder Dieseltanklaster, transportiert weniger als ein Drittel der chemischen Energie. 

Es hat also seine Berechtigung, wenn Wasserstoff als ineffizient, auf Jahre hinaus kaum verfügbar und mittel- und langfristig teuer gescholten wird, was zu dem Bonmot „Der Champagner der Energiewende“ geführt hat. Im Umkehrschluss sollte Wasserstoff zuallererst dort eingesetzt werden, wo fossile Brennstoffe nicht durch elektrische Energie ersetzt werden können; an erster Stelle in der Warteschlange stehen bestimmte Industrien: Beispielsweise sind die hohen Prozesstemperaturen, die in der Glas-, Keramik- und Stahlindustrie benötigt werden, nicht mit elektrischen Heizungen realisierbar. An zweiter Stelle steht der Flugverkehr: Vorbehaltlich weiterer Technologiesprünge in der Batterietechnik (insbesondere der Entwicklung hin zu mehr kWh pro kg) - sind selbst in Jahrzehnten elektrisch betriebene Flugzeuge bestenfalls im Kurzstreckenbetrieb realistisch. An dritter Stelle, da auch mit Batterien leidlich betreibbar, steht der Schwerlastverkehr: Hier sind Batterien noch zu schwer, so dass die Nutzlast, die Reichweite und die tägliche Betriebsdauer eines LkWs empfindlich beschnitten werden. Da der Bau der Wasserstoff-Infrastruktur noch gar nicht begonnen wurde, wird es noch lange dauern, bis überhaupt die Ersten in dieser Warteschlange einen signifikanten Anteil Ihrer Unternehmungen dekarbonisieren können.

Die Diskussion um E-Fuels entbehrt übrigens jeglicher Grundlage, der direkte Antrieb aus einer Lithium-Ionen-Batterie - in Zukunft bald aus Natrium-Schwefel Batterie - ist wesentlich effizienter und billiger.

Was bedeutet das für die kommunale Wärmewende?

Verschiedene Verbände, die die deutsche Gaswirtschaft vertreten, propagieren aktiv die Verwendung von Wasserstoff in kommunalen Wärmekonzepten.  Auch hier sollte Wasserstoff nicht auf der Warteliste für die kommunale Energiewende stehen. Er ist zu teuer, in absehbarer Zeit nicht verfügbar – und potente Konkurrenten stehen in der Schlange weiter vorne. Zur Speisung eines Wärmenetzes sollte Wasserstoff allenfalls zur Abdeckung der Spitzenlast vorgesehen werden. Andernfalls droht sowohl eine Kostenfalle als auch das Risiko in der Umsetzung zu scheitern - zugunsten der Gasindustrie, die möglichst lange Erdgas verkaufen und an teurem Wasserstoff verdienen möchte.

Man merke:  Wärmepumpen sind wesentlicher effizienter als die Verbrennung von Wasserstoff.

Zum Schluss ein paar interessante Zahlen und eine Grobkalkulation:

Endenergieverbrauch aller deutschen Haushalte                                          678 ThW (2023)

davon

Wärmebedarf aller deutschen Haushalte                                                      539 TWh (2023)

entspricht einem zusätzlichen Strombedarf

-bei 100% Einsatz von Wärmepumpen (JAZ 3,5)                                          154 TWh

-bei 100% Einsatz von H2-Gasthermen (66% Elektrolyse-W.grad)               817 TWh

-zum Vergleich: derzeitiger Strombedarf alle Haushalte                                139 ThW (2023)

Zusätzliche Windräder für Wärmepumpen (12 GWh p.a.)                            12800

Zusätzliche Windräder für H2-Gasthermen (12 GWh p.a.)                           68000

- zum Vergleich: Zahl aller Windkraftanlagen in D                                       30243 (2023)

Kosten für Wärmepumpenlösung

(3 mio Haushalte, á 30.000 €, 12800 WKA á 6 mio €)                                  167 Mrd. €     

Kosten für H2-Gasthermenlösung

(3 mio Haushalte, á 10.000 €, 68000 WKA á 6 mio €)                                  438 Mrd. €

 

Interessante Links

https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Presse/Pressemitteilungen/2011/111122_PowerToGas_AnlageIWES_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Energiebilanzierung des Power-ti-Gas Prozesses am...

https://reposit.haw-hamburg.de/bitstream/20.500.12738/13551/1/JandtTobiasBA_geschw%C3%A4rzt.pdf

https://h2-mobility.de/wp-content/uploads/sites/2/2021/10/H2M_Ueberblick_BetankungsoptionenLNFSNF_TankRast_2021-10-21.pdf, Seite 16ff

https://www.youtube.com/watch?v=Y7iMKOsEh04&t=634s 

https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-nach-energietraegern-sektoren#allgemeine-entwicklung-und-einflussfaktoren