Deutschland will 2045 klimaneutral sein, Bayern bereits 2040. Um die Klimaziele 2030 zu erreichen, braucht es ein deutlich höheres Tempo. Das gilt für alle betroffenen Disziplinen: Netzausbau, Ausbau der Erzeugungsleistung erneuerbarer Energien (EE), vereinfachte Genehmigungsverfahren, Umbau des Strommarktdesigns, etc. 

Im Jahr 2030 sollen, basierend auf einem höheren Bruttostrombedarf von 680 bis 750 Terawattstunden (das sind 750.000.000.000 Kilowattstunden), 80 Prozent dieses Bedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Dazu sind Photovoltaik-Kapazitäten in Höhe von 215 Gigawatt und Windenergiekapazitäten von 150 Gigawatt (davon 115 Gigawatt an Land) notwendig.  

Was das konkret bedeutet, formuliert Simon Müller, Direktor Deutschland von Agora Energiewende, wie folgt [Quelle]:

„Die Klimaziele erfordern praktisch ab sofort eine Vervierfachung des jährlichen Windkraft-Zubaus an Land.“

Es bedarf also einer tiefgreifenden Beschleunigung. Dazu sind eine Reihe von Gesetzesnovellen beschlossen worden:

  • Novellierung des Erneuerbare- Energien-Gesetzes (EEG)
  • Novellierung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (Wind-SeeG)
  • Beschluss des Windenergie-an-Land-Gesetzes (WaLG)
  • Beschluss des Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
  • Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
  • Änderung des Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie der
  • vorzeitige Ausstieg aus der Kohle in NRW bis 2030 (vorher 2038).


Das Osterpaket 2022 und weitere Novellen

Das Energiesofortmaßnahmenpaket („Osterpaket") der Ampelkoalition beinhaltet eine tiefgreifende Neufassung und Anpassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Sinne einer verbesserten Erreichbarkeit der Klimaziele durch einen stark forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien (EE). Ambitioniertes Ziel ist die Deckung von 80 Prozent des Bruttostrombedarfs im Jahr 2030 durch EE (Stand 2021: 41 Prozent), bei einem deutlich steigenden Bedarf an elektrischer Energie in der Industrie, im Gebäudesektor durch Wärmepumpen und in der an Fahrt gewinnenden „Verkehrswende“, d. h. beim Umstieg von Verbrenner- auf E-Fahrzeuge.

In dem Energiesofortmaßnahmenpaket ist verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im „überragenden öffentlichen Interesse liegt“ und somit bei Interessenskonflikten der Stellenwert erneuerbaren Energien deutlich höher zu berücksichtigen sein wird.

Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen werden an dem Treibhausgasminderungsziel 2030 ausgerichtet:

  • Die Leistung installierter Solaranlagen soll stufenweise auf 215 Gigawatt bis 2030 und auf 400 Gigawatt bis 2040 gesteigert werden. Das entspricht einer Ausbaurate von rund 20 Gigawatt pro Jahr.
  • Bei der Windenergie an Land wird das Ausschreibungsvolumen im den Jahren 2023 auf 12,8 Gigawatt und in den Jahren 2024 bis 2028 auf 10 Gigawatt erhöht. 
  • Bei der Windenergie auf See sind 35 Gigawatt bis 2030 und 70 Gigawatt bis 2045 fixierte Ausbauziele.
  • Bei der Biomasse werden 9 Gigawatt im Jahre 2030 angestrebt.

Zur Erreichung diese Ausbauziele sind Verzögerungen beim Netzanschluss zu vermeiden. Anlagen bis 30 Kilowatt (demnächst möglicherweise bis 50 Kilowatt) können ohne Anwesenheit des Netzbetreibers angeschlossen werden, wenn dieser nicht innerhalb eines Monats nach Beantragung einen Zeitplan aufgestellt hat.

Bei der Photovoltaik werden eine Reihe von Begünstigungen neue Anreize schaffen:

Die Vergütungssätze für PV-Dachanlagen werden angehoben. Es wird zwischen Teil- und Volleinspeiseanlagen unterschieden, wobei die Volleinspeiser einen höheren Vergütungssatz (0,134 €/kWh) als die Teileinspeiser (0,086 €/KWh) erhalten.

Die technische Vorgabe der Wirkleistungsbegrenzung auf 70 Prozent der installierten Leistung bei Einspeisung ins öffentliche Netz wird abgeschafft. Ebenfalls entfällt die Vorschrift, dass bei diesen Anlagen eine Einrichtung zur Fernsteuerbarkeit installiert werden muss.

Bis zur Leistung 30 Kilowatt (Peak) bzw. 15 Kilowatt (Peak) bei Mehrfamilienhäusern werden die Vergütungen von der Einkommens- und Gewerbesteuer befreit.

Es gibt eine Erweiterung der für PV freigegebenen Flächen: Nebst industriellen und militärischen Flächen, Seitenrandstreifen an Autobahnen und Schienenwegen können zukünftig auch auf Ackerflächen sogenannte Agri-PV-Anlagen installiert und über das EEG gefördert werden. Gleiches gilt für landwirtschaftlich genutzte Moorböden bei Wiedervernässung.

Die Zeitdauer für Planungs- und Genehmigungsverfahren wird erheblich verkürzt. Bei voruntersuchten Flächen wird das Planungsfeststellungsverfahren durch das in der Regel zügigere Planungsgenehmigungsverfahren ersetzt und digitalisiert. Die Dauer der Genehmigung von Solarenergieanlagen soll auf drei Monate sinken, die Zeit von Errichtung von Windkraftanlagen, im Schnitt derzeit 8 Jahre, soll auf 3 Jahre schrumpfen. Zu diesem Zweck wird die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und die artenschutzrechtliche Prüfung für ausgewiesene EE- und Netzgebiete („Go-To-Areas“), die bereits eine strategische Umweltprüfung (SUP) durchlaufen haben, entfallen.

Der Netzausbau wird auf Hoch-, Mittel- und Niederspannungsebene (Überlandnetz, Verteilernetz, lokales Netz) an zukünftigem Bedarf wie z. B. Ladeinfrastruktur ausgerichtet. Für 19 neue als auch 17 geänderte Netzausbauvorhaben wurde die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf festgestellt.

Die Rollen und Möglichkeiten der Kommunen und Bürger*innen werden gestärkt.

Mit dem runderneuerten EEG hat der Gesetzgeber ein Instrument zur finanziellen Beteiligung von Gemeinden am Ausbau der erneuerbaren Energien geschaffen, um die lokale Akzeptanz zu fördern. Hiernach können Anlagenbetreiber die Gemeinde vor Ort freiwillig finanziell – ohne eine Gegenleistung der Gemeinde – unterstützen, ohne sich möglicherweise zugleich des Vorwurfs einer „Bestechung“ strafbar zu machen. Die finanzielle Beteiligung der Gemeinde ist auf insgesamt 0,2 Cent pro Kilowattstunde tatsächlich eingespeisten Stroms begrenzt.

Bürgerenergiegesellschaften können zukünftig Wind- und Solarenergieprojekte realisieren, ohne an einer Ausschreibung teilzunehmen. Diese Regelung umfasst Windparks bis 18 Megawatt (i. d. R. drei Windräder) und Solarparks bis 6 Megawatt.

Durch das Wind-an-Land-Gesetz und Windflächenbedarfsgesetz wird faktisch das Ende von 10H eingeläutet. Es werden transparente und verbindliche Flächenziele, in Bayern 1,1 Prozent bis 2027 und 1,8 Prozent bis 2032, vereinbart. Die Umsetzung erfolgt durch Meldung der Gemeinden an den Regionalen Planungsverband (RPV). Damit gibt es keine pauschalen Abstandsregeln mehr, aber dafür eine privilegierte Zulassung von Windenergie im gesamten Planungsraum.

Last but not least erfolgte eine Novellierung des Gesetzes zur Kraft-Wärme-Kopllung (KWKG), die im Wesentlichen die Förderung von Biomethan in Spitzenlastkraftwerken, die Wasserstofffähigkeit für neue KWK-Anlagen (H2-Readiness) und die Absenkung der jährlich förderfähigen Vollbenutzungsstunden regelt. Biomethan in KWK-Anlagen wird ab 2023 nicht mehr gefördert. Einsatz nur zur Spitzenlastregelung und als Energieträger in schwer elektrifizierbaren Bereichen (Schwerlast- und Flugverkehr, Industrieanlagen).

KWK-Anlagen ab 10 Megawatt müssen wasserstofffähig sein und ab 2028 zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können.